
Porträt
Schaltzentrale Kinderzimmer
Kind oder Karriere? umlaut Managerin Brittany Cycholl hat beides. Zu Besuch bei einer, die Veränderungen vorantreiben – und andere Frauen mitziehen will.
Es ist noch früh am Morgen, kurz vor 7, als umlaut Managerin Brittany Cycholl am ersten Kaffee nippt und weiß: Jetzt beginnt die heiße Phase. Auf die kommenden Wochen arbeitet die Leiterin des Change Management Teams seit Monaten hin. Es sind die Wochen, die eine erste Richtung vorgeben sollen. Wird die neue Unternehmenssoftware funktionieren? Läuft die Technik störungsfrei? In wenigen Stunden geht per Videomeeting die Generalprobe los. Über 300 ausgewählte umlaut Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen dann weltweit testen, ob das ERP-System läuft. So ist es geplant – von Brittany.
“Die neue Unternehmenssoftware wird die Arbeit von umlaut entscheidend verbessern”, sagt Brittany. Hinter Enterprise Resource Planning verbirgt sich eine modular aufgebaute Softwarelösung für Ressourcenplanung. Rechnungen, Urlaubsplanung, Personal- und Finanzpläne – all das und mehr wird bei umlaut damit künftig zentral verarbeitet und gespeichert. “Das vereinfacht Abläufe”, sagt Brittany. Und löst ein entscheidendes Problem: Bisher nutzt umlaut weltweit gut 150 Tools. Die ticken alle anders. “Das ist so, als würden wir nicht überall dieselbe Sprache sprechen”, sagt Brittany. Sie und ihr Team helfen dabei, das zu ändern und gleichzeitig die Unternehmenskultur zu erhalten: kurze Wege und flache Hierarchien zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Denn sie sind es, die umlaut antreiben, nicht Tools oder KPIs. Brittany mag solche Mammutaufgaben. “Wenn ich mir Ziele setze, dann reichen die bis zum Mond.”

“Wenn ich mir Ziele setze, dann reichen die bis zum Mond”, sagt Brittany Chycholl.
Ihre Schaltzentrale ist das Kinderzimmer. Von hier aus, zwischen Kuscheltieren und Spielzeugautos, setzt Brittany alle Hebel in Bewegung und hält die Fäden des Change Management Teams zusammen. Eigentlich ist ihr Arbeitsplatz das umlaut Büro in Southfield, zwanzig Autominuten entfernt von Detroit. Stattdessen nun: Ein Haus am Stadtrand, ein helles Zimmer mit Dachschrägen, nachts Traumland und Abenteuerhöhle, tagsüber übergangsweise zum Corona-Homeoffice umfunktioniert. Brittanys Schreibtisch steht am Fenster mit Blick in den Garten. Neben ihr wühlt sich ein strohblonder Kopf aus dem Bett. Sohn Gus, anderthalb, hopst schlaftrunken auf Brittanys Schoß.
Als Managerin sitzt Brittany zwischen Kind und Karriere. “Genau so ist zumindest meist das klassische Bild”, sagt sie. “Als müsste ich mich für eines entscheiden. Als sei klar: Als Frau Karriere machen und Kinder haben – unmöglich, vergiss es lieber gleich.” Im Leben von Brittany gibt es kein Entweder-oder. “Für meine Familie war nie die Frage, ob Familie und Beruf zusammen gehen”, sagt Brittany. “Die Frage war immer bloß wie.”
Danny ist ein “Stay at home dad”, wie Brittany sagt. Vorher war er Ingenieur. Damit könnte er viel Geld verdienen. Er könnte Karriere machen, sich im Job verwirklichen. “Aber das will er nicht”, sagt Brittany. “Er war damit immer eher unzufrieden.” Sie hingegen brennt für ihren Job. “Ich liebe es, Projekte zu leiten, mein Team herauszufordern, zu fördern”, sagt sie. Bevor sie bei umlaut anfing, machte sie ihren MBA in Grenoble in Frankreich, arbeitete bei InterNations in München – und wurde, zurück in den Staaten, während eines Praktikums bei Detroit Diesel, von umlaut entdeckt. Das ist sechs Jahre her.

'Stay at home dad'-Danny freut sich über die intensive Zeit mit seinem Sohn.
Schon vor der Schwangerschaft entschieden Brittany und ihr Mann, dass er die Care-Arbeit macht. Nach der Geburt reduzierte Danny erst auf Teilzeit. Brittany blieb acht Wochen lang zu Hause und kehrte dann zu umlaut zurück. Dass sie weiter bezahlt wurde in der Zeit, ist in den USA sonst oft nicht üblich. Bis heute gibt es dort keine bezahlte Elternzeit, keinen bezahlten Mutterschutz. “Viele Frauen stellt das vor riesige Probleme”, sagt sie. Brittany und ihr Mann lösten es selbst: Danny kündigte seinen Job. “Wir wollten lieber weniger Geld – und dafür mehr Zeit für Gus”, sagt Brittany. Das sorgt für schiefe Blicke. “Solche, die sagen: Du bist keine gute Mutter. Oder: Dein Mann ist gar kein richtiger Mann”. Das will Brittany ändern.
Um anderen zu zeigen, wie es auch gehen kann, hat Brittany ein Kinderbuch geschrieben. Das heißt'Frackle Faced Gus and a Stay at Home Dad?'. Darin: Mama, die mit dem Raumschiff zur Arbeit düst. Papa, der zu Hause die größten Abenteuer wuppt. Und Gus, für den sie beide Helden sind. Im Netz ist Brittany unter @pregnanttopromoted zu einer Beraterin für Frauen und Mütter geworden. In kurzen Videos oder Texten spricht sie von Problemen und Erfahrungen als arbeitende Frau. Darüber, wie man Frauen in Unternehmen den Rücken stärken kann. Sie wolle keine sein, die sich nur beschwert, sagt sie. “Auch meinem Team sage ich immer: Kommt mir nicht mit Problemen – sondern bringt direkt die Lösungen mit.

Im eigenen Kinderbuch erklärt Brittany ihrem Sohn Gus unterschiedliche Arbeits- und Lebensmodelle.
Bei ihr selbst lief das so: Als Projektmanagerin bei umlaut eingestiegen, wurde sie nach der Geburt des Sohnes erst zur Associate Principle, dann zum Lead des Change Managements für das ERP-System befördert. Ihr Rezept: “Frauen sollten Ihrem Arbeitgeber bewusst machen, worin ihr Wert liegt. Und offen sagen, was ihnen konkret hilft, Kinder und Arbeit unter einen Hut zu kriegen.” Ihr selbst habe es geholfen, die Arbeitstage flexibler zu gestalten. Gegen 16 Uhr klappt sie meist für einige Stunden den Rechner zu. “Dann heißt es: Zeit für die Familie.” Später, wenn Gus schläft, wühlt sie nochmals ein paar E-Mails durch.
Davon ist das Postfach an diesem Abend voll. Die ersten Testings sind holprig gestartet. Nicht alle Tester waren vorbereitet. Und manchmal hakte auch die Technik. Die kommenden Tage heißt es also: Nachjustieren, neu verschalten, durchstarten. Sechs Wochen bleiben noch, um 4.500 umlaut Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weltweit fit für das ERP-zu machen und Mängel zu beheben. Der Fahrplan ist sportlich. Aber immerhin ist Brittany eine, die mit dem Raumschiff zur Arbeit düst. “Aus Erfahrung weiß ich: Am Ende schaffen wir das doch”, sagt sie.
Im Juli soll es ein erstes Go-Live geben. Dann kann umlaut erste Funktionen nutzen. Weitere kommen Schritt für Schritt dazu. “150 unterschiedlichen Arbeitsweisen vereinheitlichen: Das braucht Zeit”, sagt Brittany. Sie ist sich sicher: Für Frauen, die Karriere machen und Kinder haben wollen, funktioniert das andersherum: Es gibt nicht einen optimalen Weg. Es gibt viele gute Wege. Auf einem davon ist sie selbst unterwegs. Das Go-Live des ERP-Systems wird Brittany nicht selbst miterleben. Denn auch privat geht´s in die heiße Phase. In wenigen Wochen kriegt sie einen zweiten Sohn. Acht Wochen geht sie dann in Mutterschaftsurlaub, vielleicht auch zwölf. Dann will sie zu umlaut zurückkommen. Als eine, die beides kann: Mutter sein und Managerin.