umlaut office three people

Interview

Purpose statt Money!

Im War for Talents hält umlaut CPO Lars Karsten unternehmerische Werte hoch. Warum es jetzt auf Nachhaltigkeit und Diversität ankommt.

Lieber Lars, wie oft warst du jetzt seit der Corona-Pandemie im Büro?

Im Büro war ich tatsächlich nicht oft, weil ich mich darauf konzentriert habe, Leute zu treffen – überwiegend digital, meist in halbstündigen Terminen. Unter dem Strich habe ich virtuell mehr Leute getroffen als vor der Pandemie in Persona. Wenn ich unterwegs war, dann für Workshops – vor allem zum Thema Leadership. Dabei kommen in der Regel zwölf Führungskräfte aus unterschiedlichen Teilen unseres Unternehmens. Ich glaube ja, dass die Teamleiter am meisten Einfluss auf unsere Mitarbeiter haben.

Was hast du während der Lockdowns über eure Mitarbeiter gelernt?

Sie neigen dazu, mehr Verantwortung zu übernehmen – teilweise zu viel. In den Laboren saßen Mitarbeiter von morgens bis abends in Videokonferenzen, parallel brach Geschäft weg, weil Flugzeuge am Boden blieben. Also arbeiteten sie noch mehr in der Annahme, sie müssten das wieder aufholen. Homeoffice funktioniert nicht für jeden. Es gab auch in der Schule Schüler, die nicht zuhause lernen konnten. Programme, Geräte, Zeitzonen und Netzabdeckung – das sind erstmal technische Hürden. Sie erschweren die Arbeit im Team, Kreativität und Identifikation bleiben auf der Strecke. Doch es gab auch gute Erkenntnisse: Ein Job bei umlaut ist mit der Familie vereinbar. Durch das Mobile Office entstehen neue Möglichkeiten, insbesondere für Mütter und Väter. Ich hoffe sehr, dass das eine Alternative zu Teilzeitmodellen wird. Außerdem sind wir tierfreundlicher denn jeh. Während der Pandemie haben sich einige Mitarbeiter den Wunsch nach einem Hund erfüllt – ich war auf unzähligen virtuellen Spaziergängen.

Spaziergänge für alle! Braucht umlaut dann noch Büros?

Ich brauchte auch vor den Lockdowns schon keins, weil ich die Hälfte des Jahres auf Geschäftsreisen war. Ich kann – wie viele unserer Mitarbeiter auch – am Flughafen arbeiten, von zuhause oder wie unsere Kollegin Caroline Weber im Campingbus an den Surfspots dieser Welt. Es gibt immer wieder Bereiche, in denen wir Regularien folgen müssen. Information Security bleibt ein wichtiges Thema. Leute, die automobiles Equipment testen, brauchen in der Regel feste Stationen – wobei wir in Böblingen bereits mit einer virtuellen Testing Farm arbeiten. Doch Teams, die für uns Flugzeuge designen, brauchen leistungsstarke Computer. Die müssen in einem sicheren Umfeld stehen, mit besonderen Türen und geschützten Netzwerken.

Für manche Projekte müsst ihr nah am Kunden sein. Was, wenn der umzieht?

Wenn möglich, gehen wir mit. Als die Airbus-Elektronik von Hamburg nach Toulouse zog, gingen 90 Prozent der Kollegen nach Frankreich. Wir zwingen niemanden umzuziehen und gestalten die Arbeitswelten flexibel und transparent. Doch wenn die Arbeit nah am Kunden oder Projekt erfolgen muss, dann machen wir aus der geforderten Reisebereitschaft kein Geheimnis.

Für umlaut arbeiten weltweit 4.200 Mitarbeiter, aus über 80 Nationen an mehr als 50 Standorten. Wie gelingt die vernetzte Arbeit?

Mit flachen Hierarchien und im Netzwerk. Die führen dazu, dass die Leute Verantwortung übernehmen. Ich nenne es gerne Ownership – sich einer Sache wirklich annehmen und sie zu Ende bringen. Wir haben eine sehr gute Fehler-Kultur. Alle Fehler sind gut, wenn wir schnell daraus lernen und das System optimieren, damit sie nicht wieder auftreten. Das schafft eine kreative Umgebung. Im Luftfahrt-Umfeld halten wir uns streng an die Prozesse. Dabei helfen Trainings. Aber wir wollen, dass unsere Mitarbeiter Dinge selbst in die Hand nehmen und voranbringen. Es ist eines der am meisten diskutierten Themen in den zuvor erwähnten Leadership Workshops: Wieviel Führung gebe ich denn meinen Mitarbeitern, damit sie die Fehler gar nicht erst machen? Und wie viel lasse ich sie selbst aus ihren Fehlern lernen? Lasse ich mein Kind die Herdplatte anfassen oder warne ich vor den Konsequenzen?

… die Antwort kennt das Netzwerk?

Ja! Und das Tool ist vermutlich das Smartphone. Fast jeder bekommt eins und kann damit jeden in unserer Netzwerkorganisation anrufen. Das ist ein wichtiges Kulturelement. Es gibt keine Teamassistenten und kein Organigramm, das Zuständigkeiten regelt – ich glaube, auch das trägt zur Vernetzung bei. Darüber hinaus bieten wir zahlreiche Formate, um Menschen zusammenzubringen. In Hamburg ist das zum Beispiel der „irregular table“, wo Mitarbeiter ihre Projekte präsentieren oder ihr Hobby. Wir haben die umlaut convention – eine interne Messe mit mehr als 40 Ständen zu den unterschiedlichen Fähigkeiten und Kundenprojekten. Die eigentliche Magie entsteht dabei nicht am Stand, sondern vor dem Stand, wo die Leute miteinander reden, und Ideen austauschen: Wie können wir 5G in die Flugzeugproduktion bringen? Bei welchem Kunden wollen wir Connectivity messen oder unsere Testexpertise aus dem Automobilsektor einbringen? Ganz frisch ist unser Green Lunch ein gemeinsames digitales Mittagessen mit Beiträgen und Ideen, wie wir uns und unsere Kunden nachhaltiger machen.

Aber schaffen diese Events gemeinsame Werte und eine gemeinsame Haltung?

Sie bieten den Nährboden dafür. Wir glauben, dass dieser interkulturelle Mix und das Knüpfen von Verbindungen unglaublich wertvoll sind. Deshalb schicken wir z.B. auch viele Mitarbeiter für einen Monat oder zwei nach Indien, um mit dem Team Hand in Hand zu arbeiten, das sie sonst nur vom Bildschirm kennen. Jeder, der von uns nach Amerika gegangen ist, kam als Ambassadeur zurück. Wenn ich mit Amerikanern spreche, ist mir oft meine Direktheit im Weg, dann sind die manchmal verwirrt. Wenn ein deutscher Kollege vor Ort ist, der seit einem halben Jahr in Amerika lebt, dann kann der das relativieren. Und umgekehrt auch. Gemeinsam brechen wir Stereotypen auf. Wenn ich Termine abfrage, muss ich genau darauf achten wie. In der indischen Kultur ist es sehr schwer „Nein“ zu sagen. Also sollte ich die Frage nie geschlossen stellen. Franzosen gehen mit Hierarchien anders um als Deutsche. Das sollte man berücksichtigen und dann versuchen die richtige Sprache und die richtige Tonalität zu treffen. Meine deutschen Kollegen stellen noch Gegenfragen: Was meinst du denn genau mit fertigstellen? Oder was bedeutet Freitagabend?

Bedeutet Freitagabend, dass es auch Samstagabend geht?

Das entscheidet jeder Mitarbeiter für sich selbst. Wenn ich als Führungskraft am Wochenende E-Mails schreibe, dann mit dem Disclaimer, dass ich mich am Freitag davor um meine Kinder gekümmert habe und mir eine Antwort auch am Montag genügt. Ich möchte die Leute nicht aus ihrem Wochenende holen. Und wenn es doch mal passiert, dann bin ich dankbar für ein Feedback: „Ich fühlte mich total unter Druck gesetzt, dir zu antworten“. Ich wünsche mir eine Kultur, in der es willkommen ist, darüber zu sprechen.

Portrait Lars Karsten

Lars Karsten, Chief People's Officer

Du bist Vorstandsmitglied bei umlaut. Und Chief People’s Officer. Wie passt das zusammen?

Mitarbeiter sind unsere wertvollste Ressource. Ich kümmere mich darum, dass sie gehört werden. Ich bekomme meinen Auftrag nicht vom Vorstand, sondern von den Menschen, die umlaut antreiben. Der Titel Chief People Officer ist weit verbreitet – doch mir fehlte darin ein Satzzeichen. Ich bin ihr Chief People’s Officer. Wir haben auch Führungskräfte mit klassischen Titeln wie CEO oder Managing Director – diese sind von rechtlicher Bedeutung. Darüber hinaus gehen wir damit gerne kreativ um. Die Arbeitsfelder sind zu individuell für einheitliche Titel. Weil wir kundenorientiert arbeiten, rekrutieren wir teilweise maßgeschneidert. Die Amerikaner arbeiten beispielsweise gerne mit Senior Directors – dann sind wir eben Senioren!

Wie kannst du als CPO allen zuhören?

Kann ich nicht. Deshalb ist Leadership eines der wichtigsten Themen für mich. Ich muss alle unsere Führungskräfte abholen, sie für die wichtigen Entwicklungsthemen nach innen sensibilisieren. Es bringt nichts, wenn sie unsere Werte und Ziele nicht verinnerlichen und sehr genau übersetzen. Unsere Führungskräfte hören zu. Jeder unserer Mitarbeiter hat eine Eins-zu-Eins-Beziehung zu einer Führungskraft. Jemand, der da ist, der sich für Fortbildung und Beförderung einsetzt und über einen Bonus entscheidet. Und wir haben Coaching- und Mentoring-Programme, in denen individuelle Entwicklung gefördert wird. Selbstverständlich gibt es auch Richtung Kunde klar geregelte Abläufe und eine Projektleitung.

Welche Werte habt ihr etabliert und wo könnt ihr besser werden?

Wir sind gut darin, unseren Mitarbeitern Mut zu machen, Courage zu fördern, Empathie und Entrepreneurship. Wenn ich heute auf die Welt schaue, dann denke ich, dass wir kontinuierlich lernen müssen. Wir haben so viel Disruption vor uns. Durch Digitalisierung, durch 5G, durch CO2, durch die Klimakrise. Ich bin der festen Überzeugung, dass mehr als die Hälfte unserer Leute in fünf Jahren was anderes macht. Trainings sind ein wichtiger Baustein, um unsere Mitarbeiter auf Nachhaltigkeitsprojekte vorzubereiten, auf Automatisierung klassischer Engineering Prozesse.

Auf eurem Vorstandsfoto sind nur Männer. Wie stehst du als CPO zum Thema Diversität?

Mit 81 Nationen sind wir multikulturell divers. Doch die 25 Prozent Frauen bei umlaut sind ein Feigenblatt. Denn wenn wir genau hinsehen, dann arbeiten zu wenige von ihnen im Engineering und in Führungspositionen. Wir sind aus einer sehr männerdominierten Universitäts- und Ingenieurswelt entstanden. Mir ist das eine wichtige Herzensangelegenheit, hier unbedingt besser zu werden. Doch ähnlich wie beim Organigramm bin ich kein Freund der Quote, wenn sie nur als technische Instanz fungiert. Der Antrieb zur Veränderung muss aus uns selbst kommen. Wir sind auf dem Weg!

Was ist das „On Töp“, das Talente nur bei umlaut finden?

Mit flacher Hierarchie gewinnen wir heute keine neuen Mitarbeiter mehr. Das ist langweilig. Das neue „On Töp“ muss sein, dass wir einen Job mit Purpose bieten. Eine echte Vision, etwas bewegen zu können. Mittels gelernter Technologie und klugem Engineering kann man bei uns an einer besseren Welt mitwirken – mit Kunden in den Bereichen Automotive, Luftfahrt, Telecommunication, Energy oder Healthcare neue Standards definieren. Für immer mehr Bewerber ist das ein Erfolgskriterium, Geld und Titel spielen eine nachgelagerte Rolle. Die vielfältigen Möglichkeiten bei umlaut sind der Grund, warum die Leute zu uns kommen.

LARS KARSTEN

Lars Karsten

Chief Communication & People's Officer

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Lars.Karsten@accenture.com