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Interview

Elektromobilität: Höchste Zeit einzusteigen!

Ein Blick auf den Markt – mit Dominic Craciunescu und Stefan Beer

Befeuert durch die Corona-Pandemie kommt erneut Bewegung in den E-Auto-Markt – sagen Dominic Craciunescu, Head of Testing und Stefan Beer, Bereichsleiter Elektromobilität bei umlaut. Gleichzeitig entstehen Räume für neue Konzepte und Chancen für mutige Unternehmen. Eine Videokonferenz zur Zukunft der Elektromobilität:

Die Autoindustrie hat begonnen disruptive Veränderungen umzusetzen. Worin liegen jetzt die großen Herausforderungen und Chancen für OEMs, Zulieferer und Dienstleister am Markt?

Dominic: Die Deutschen OEMs haben das Thema Elektromobilität neben der Connectivity und dem autonomen Fahren voll auf dem Schirm. Egal ob da jetzt noch ein Fantasie-Fahrzeug kommt, die Brennstoffzelle, oder ein neuer synthetischer Kraftstoff: Der E-Motor und die Leistungselektronik sind so ausgereift, im Vergleich zum Verbrenner auch deutlich einfacher und die Feature-Entwicklung wesentlich Software-lastiger – kurzum E-PS sind nicht mehr aufzuhalten.

Stefan: Kein Startup würde sich mehr an den konventionellen Verbrenner trauen. Hier gibt es spezialisierte Zulieferer die seit Jahren auf dem Markt sind, alle Teile und Prozesse sind bis ins Detail optimiert. Bei der E-Mobilität ist das anders. Hier gibt es noch die Chance, mit neuen Ideen in den Markt einzusteigen, es gibt viel mehr Schnittstellen in andere Bereiche. Das gilt insbesondere für Tier1 in der Energiebranche, aber auch für OEMs. Ein TESLA hätte es ohne die Elektromobilität nie in den Automobilmarkt geschafft. Connectivity, Autonomes Fahren – das sind potentialstarke Themen.

Einige Hersteller sind offensichtlich auf Sinnsuche: bleibt das Fahrzeug Kernprodukt?

Dominic: Heute ist die Software zum wichtigsten Element geworden – und etwas, das die deutschen Automobilhersteller trotz vieler Bestrebungen in die Richtung noch immer nicht gut können. Erst jetzt fangen sie an, sich als Software-Unternehmen neu aufzustellen. Das Fahrzeug öffnet sich, von außen kommen neue Player zum Zug, die schon immer Software machen. Sie setzen Cloud-Dienste und -Systeme auf, arbeiten mit großen Datenmengen, stoßen auf neue Themen und bringen ihr Know-How ein. Für uns kommt es jetzt darauf an, diese Unternehmen mit den OEMs zu verbinden.

Du sagst, dass viele Hersteller erst jetzt wirklich digitalisieren. Können die noch den Anschluss verlieren?

Dominic: Ich glaube weniger, dass ein OEM komplett vom Markt verschwindet – sondern eher, dass man sich nur über einen Zusammenschluss mit irgendjemand anderem retten kann, etwa einem anderen Automobilhersteller oder Kompetenz-Investor.

Stefan: Wenn wir uns anschauen, wodurch sich OEMs heute noch differenzieren: Das ist häufig ein Motor oder eine Karosserie. Autos werden in Zukunft zur Plattform für Mobilitätsdienstleistungen. Volkswagen erfindet sich mit der Car-Software-Organisation gerade als das größte Smartphone der Welt neu. Solche Entwicklungen werden zu einer Bereinigung des Marktes führen. Wann und wen es treffen wird? Keine Ahnung. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass breite Produktpaletten noch lange Bestand haben.

„Elektromobilität geht nicht mehr weg“ hat auch Christof Horn im Interview gesagt. Mit ihr entstehen völlig neue Märkte auf und neben der Straße. Welche Entwicklung wird derzeit noch völlig unterschätzt?

Stefan: Wenn in Zukunft immer mehr E-Autos auf die Straße kommen, wirken sie selbst wie eine riesige Batterie. Bläst der Wind in den Parks stärker, könnte überschüssige Energie in die Autos gehen und von da aus zurück ins Netz. Für das bidirektionale Laden wird es noch sehr viel Softwareentwicklung brauchen, derzeit ist das noch eher eine Vision. Erst vor wenigen Wochen ging das Gerücht um, dass Tesla seine Fahrzeuge für bidirektionales Laden vorbereitet hat. Bei rund einer Million Fahrzeuge im Markt gab das spürbar einen Impact.

Dominic: Es gibt noch viele Anschlussprobleme, die bis heute ungelöst sind. Wie sieht das Second Life von Batterien aus, wenn es skaliert werden muss? Wie muss sich das Recycling entwickeln, in deren Prozesse keine Batterien dürfen? Hier muss schon früh in der Entwicklung an das Second Life gedacht werden, Cradle-to-Cradle eben. Oder das Thema Security: Was passiert, wenn jemand das Backend hackt, auf Stopp drückt und dann alle Fahrzeuge stehen bleiben? Hier müssen wir uns als Dienstleister auch weiterentwickeln. Das werden spannende Herausforderungen.

Die Verkehrswende mischt die Karten neu: Welche zieht umlaut?

Dominic: Ein Auto mehr als Speicher im Gesamtenergiekreislauf zu sehen, ist denkbar. Auch das Rückspeisen in das Netz ist technisch realisierbar. Doch dabei entstehen mehr Lade-Entladezyklen als eigentlich vorgesehen. Es geht also voll auf das Risiko des Herstellers – zunächst eine Batterie zu entwickeln, die das kann. Dabei spielt neben der Technik und Chemie die Zeit eine Rolle. Die Elektronik wird auch im Stand noch genutzt, die Lebensdauer-Tests während der Entwicklung müssen entsprechend verlängert werden. Kurzum: Der OEM bekommt Panik, während der Energielieferant schon mal rechnet: Wenn er auf 10 Millionen Fahrzeuge zugreifen kann, sie mit Energie versorgt und als Lieferanten nutzt, wird’s interessant. Hier treffen zwei völlig konträre Strategien aufeinander. Heute kommt das Fahrzeug vom OEM, die Ladesäule von Siemens oder ABB und das Netz von E.ON. Das sind alles Unternehmen auf Augenhöhe, wenn die zu einem Standardisierungsgremium zum Thema Ladeinfrastruktur zusammenkommen, fliegen die Fetzen. Und da kommen wir ins Spiel. Wir übersetzen, wir vermitteln.

Worauf kommt es in diesem Wettbewerb an?

Dominic: Wenn du früher als Einzelperson eine revolutionäre Idee hattest, was du beim Auto ändern könntest: Was für Chancen hattest du denn, ohne Team und Investoren? Keine! Heute sind die Möglichkeiten anders. Es gibt Crowdfunding und Social Media. Wer in einem Netzvideo von seiner Idee berichtet, hat gute Chancen, gesehen und ernst genommen zu werden. Wir haben selbst erste Entwicklungsprojekte gestemmt – etwa unser Tele-Healthcare-Thema oder die Vernetzung von Fahrzeugen. Da waren wir 50/50 im Risiko. Es war neu, es war spannend und es hat Spaß gemacht!

Stefan: Wer aus einer anderen Branche in den Markt eintritt, muss bei seiner Idee die Entwicklungszyklen bedenken. Ein Auto wird in 5 Jahren entwickelt. Das Elektro-Startup Sion aus München hatte eine gute Idee und eine Anschubfinanzierung. Doch es dauert am Ende doch lange, bis das Geld zurückkommt und das Auto auf der Straße ist. Wer eine Ladesäule herstellt, eine Plattform oder andere Peripherie: Hier ist ein langer Atem gefragt.

Entstehen mit der E-Mobilität neue Schnittmengen zu anderen Branchen, die wiederum für euren Kundenstamm spannend sind?

Stefan: Wenn wir in der umlaut Gruppe über E-Mobilität sprechen, ist auch ein Kollege dabei, der am Thema Drohnen arbeitet, auch beim E-Fyling passiert gerade viel. Das sind Elemente, wo die Kompetenz ähnlich und ein Austausch wichtig ist. Ob ich das Batterie-Housing für ein Auto oder ein Flugzeug konstruiere, ist am Ende doch wieder ähnlich. Wir testen unter anderem E-Bike Elektronik, darin steckt viel Automobiltechnologie.

umlaut berät Unternehmen beim Aufbau ihrer europäischen Ladeinfrastruktur, errichtet und betreibt virtuelle Testfarmen für die Softwareentwicklung oder misst die User Experience von Infotainment Systemen – ist das „Real End-to-End“?

Stefan: Ich sehe ein schönes End-to-End beim Strom. Wir beraten den Netzbetreiber bei der Frage, wie er sein Netz auslegen muss für die Elektromobilität, testen Ladestationen in beide Richtungen: Wie kann ich die ins Netz integrieren, aber auch wie kommuniziert das mit dem Fahrzeug? Dann gehen wir weiter ins Fahrzeug: Wir entwickeln Ladesteuergeräte, die mit den Ladesäulen „sprechen“. Wir entwickeln die Batterien, die den Strom aufnehmen und wir sind an der Leistungselektronik beteiligt, die am Ende den Strom wieder auf die Straße bringt – in Form von Energie. Das macht das End-to-End aus: Den Blick vom Netz ins Auto bis auf die Straße.

Wenn ihr das alles könnt, warum macht ihr nicht selbst ein Produkt?

Stefan: Ein Produkt bis zum End of Production zu betreuen und zu warten, das braucht eine ganz andere Form von Infrastruktur und eine ganz andere Idee von Kalkulation und Business Cases. Manche Fahrzeuge werden fast komplett extern entwickelt und es gibt Firmen, die im Auftrag produzieren können, ein Produkt für den Endkunden ist aber deutlich mehr. Und so sehe ich das bei uns auch: Wir könnten im Auftrag des Kunden ein Produkt entwerfen und bauen – eine Auftragsentwicklung. Der Business Case, das Marketing, die Kundenbetreuung, das Risiko für ein Produkt braucht aber ein anderes Geschäftsmodell. Doch hier greift die Regel: Schuster bleib bei deinen Leisten.

Spannende Beobachtung und gleichzeitig die aktuelle Herausforderung vieler OEMs und Zulieferer, oder?

Stefan: Das Beispiel der Shared Economy zeigt dennoch: Carsharing bewährt sich nicht für alle, eben weil es zu weit weg ist vom Kerngeschäft. Also zieht sich zum Beispiel Daimler nach wesentlichen Learnings wieder aus dem Markt zurück. Ja, die OEMs müssen ihre Produkte weiterentwickeln, doch sie sollten nicht versuchen, auf möglichst viele Pferde aufzuspringen.

Abschließend ein Blick in die Glaskugel: Welchen Impact hat die Corona-Pandemie auf die E-Mobilität?

Stefan: Ich denke, dass die Krise massiv neue Technologien beschleunigt. In den nächsten fünf Jahren hat jeder OEM eine große Elektrooffensive angekündigt. Wenn man auf die Fördermaßnahmen in Deutschland schaut: Da geht es um Wasserstoffantriebe und Ladeinfrastruktur sowie E-Mobilität. Die Krise wird hier also eher wie ein Brandbeschleuniger wirken. Viel mehr, als dass sie Entwicklungen gänzlich stoppt.

Dominic: Dass in 150 Jahren Automobilgeschichte mal ein Break kommt, und man dafür einen Masterplan in der Hand haben muss, das ist doch logisch. Die OEMs beschäftigen Heerscharen von Strategen und Juristen, die darauf vorbereitet sind. Zwischen deren Masterplan und Umsetzung hat sich die Gesellschaft gedreht. Wir befinden uns mitten in der Energiewende und können als Dienstleister aktiv daran mitwirken. Lasst uns loslegen!

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