umlaut Jan Ivo Springborn

Porträt

Der Himmel ist nicht mehr die Grenze

Gegen Ideen kann man sich nicht wehren: Jan Ivo Springborn ist Berater bei umlaut – und Modellflug-Fan seit Jugendzeiten. Als Experte für nachhaltige Luftfahrt kommen Hobby und Beruf zusammen. Ein Blick ins Drohnen-Labor und auf Hybrid-Jets – und ein Plädoyer für die Life-Life-Balance.

Es ist wohl die klimafreundlichste Art zu Fliegen. Rund um das hellblaue Start- und Landepad blasen die Rotoren der Drohne eine kreisrunde Lichtung ins Gras, dann hebt Jan Ivo Springborn ab. Zumindest in gewisser Weise. Physisch steht der umlaut-Berater noch immer auf der Wiese, ein hochgewachsener Mann Anfang 40, schlank, rote Outdoorjacke. Im Geiste aber steckt er grad den Kopf in die Wolken. Denn eine Kamera überträgt das Live-Bild der Drohne direkt auf die VR-Brille vor Ivos Augen: „Zumindest ein bisschen wie Fliegen.“

Nachhaltige Luftfahrt, mit Akkustrom statt Verbrennungsmotoren: Bisher funktioniert das in der Massenanwendung nur virtuell. Ein „Erwachsenenspielzeug“ nennt Ivo seine Drohne. Aber eins mit guter Aussicht: „Ich bin immer noch fasziniert, wie schnell diese Technologie im Consumer-Markt angekommen ist – und wie wenige industrielle Business-Anwendungen es bis heute gibt.“

umlaut Jan Ivo Springborn

Das soll sich ändern. Denn Ivo ist nicht nur erfindungsreicher Drohnen-Fan – er ist auch Berater für Konfigurationsmanagement und Luftfahrt-Experte bei umlaut. Im Unternehmen setzt er sich für innovative Drohnen-Projekt ein, bekämpft komplexen Kabelsalat und erklärt den Zusammenhang zwischen einem A380 und Waschmaschinen. Grund genug, Beruf und Berufung auf den Grund zu gehen: Zwei Tage unterwegs mit Jan Ivo Springborn.

Basteln mit Profis

Erster Stopp: „Channel Harburg“, der umlaut-Standort im Hamburger Süden. Für seinen Arbeitsplatz braucht Ivo noch weniger Platz als für das Landepad seiner Drohne: Ein Laptop, ein Smartphone. „Ich bin ziemlich digital“, sagt er und schmunzelt. Mit dem Setup trifft man Ivo auf dem Lounge-Sofa im Work-Café, an einem der Pool-Arbeitsplätze oder im Büro des Geschäftsführers. Auch der ist viel unterwegs und bereit zu teilen. Einen Großteil seiner Zeit verbringt Ivo ohnehin unterwegs: Beim umlaut-Großkunden Airbus in Toulouse zum Beispiel, aber auch bei anderen Projekten oder – Cloud sei Dank – im Homeoffice.

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Es ist die Kombination aus wirtschaftlicher Sicherheit und professioneller Abwechslung, die ihn vor knapp 13 Jahren zum Unternehmen brachte: „Eigentlich bin ich ein Bastler“, sagt er. Wobei das etwas weit gefasst ist: Für seine drei Kids hat er in einer Silberweide ein ziemlich amtliches Baumhaus gebaut. Während seiner Promotion am Institut für angewandte Physik „bastelte“ er einen Messkopf, um Elektronenbewegungen zu verfolgen.

Zwei Dinge habe er aus der Zeit in der Forschung mitgenommen: „Keine Angst vor Komplexität! Man lernt, sich in Themen reinzugraben – und gleichzeitig den Überblick zu behalten.“ Und: „Man stößt relativ schnell an die Grenzen von dem, was man wirklich weiß.“ Heute klebt auf seinem Laptop ein Aufkleber: „Hello expectations – pleased to beat you.“

Herrscher des Kabelsalats

Reingraben, sortieren, den Überblick behalten – im Prinzip ist das immer noch Ivos Job. Nur, dass er keinen Elektronen mehr nachspürt, sondern beispielsweise: Sehr vielen Kabeln. Rund 500 Kilometer Leitungen werden in einem Airbus A380 verlegt, wobei die Konfiguration je nach Kundenwunsch variiert. Als Ivo in das Projekt einstieg, berichtete die FAZ über „Kabelsalat“ – denn im Lauf des Konstruktionsprozesses hatten die Ingenieure den Überblick verloren.

Aus der Lösung für das Problem ist eine ganze Disziplin gewachsen, die sich „Konfigurationsmanagement“ nennt. Ivo leitet diesen Kompetenzbereich bei umlaut. Das Vorgehen ist dabei immer ähnlich: Komplexität reduzieren, wo es geht – und effizient managen, wo sie sich nicht vermeiden lässt. „Wie wenn ich meinen Kids sage: Räumt euer Zimmer auf, dann findet ihr auch alles wieder. Aber wenn ihr das Chaos im Kleiderschrank beherrscht: Ok für mich.“

Das Prinzip funktioniert im Kinderzimmer und auch bei Airbus. Bis heute betreuen umlaut-Berater das transnationale Unternehmen. Aber es lässt sich noch weiter übertragen, wie Ivo sagt. Zum Beispiel auf Waschmaschinen: „Die Trommel dreht sich immer gleich, aber die Steuerung ändert sich jedes Jahr. Dann muss ich ja nicht die ganze Waschmaschine neu erfinden.“

Startplatz neben dem Maulwurfshügel

Den Ausgleich zu Modularisierung und Änderungsmanagement holt sich Ivo etwa eine halbe Stunde vor Hamburg. Autobahnabfahrt Pinneberg-Nord, ein Stück auf der Dorfstraße, dann steht man zwischen Maulwurfshügeln und Hasenkäfigen. Am Maisenknödel knabbert ein Buntspecht, Ivo stapft über den Acker eines befreundeten Landwirts. Im eigenen Garten dreht nur ein Rasenmäher-Roboter die Runden – Drohnenflug möchte er den Nachbarn nicht zumuten.

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Den Beraterdress aus Anzug und weißem Hemd hat Ivo gegen Longsleeve und Jeans getauscht, aus seinem Rucksack zieht er die Maverick-Drohne. Mit zwei Handgriffen klappt er die Flügel aus und setzt die Drohne auf dem hellblauen Startpad ab. Kurzer Blick auf die Fernbedienung: Kompass kalibrieren. Das erfordert ein kleines Tänzchen. Dreimal mit der Drohne im Kreis drehen, erst in horizontaler Ausrichtung, dann in vertikaler. Eine halbe Minute später steigt sie in den Abendhimmel.

Es ist gar nicht so sehr das Fliegen, das ihn fasziniert, sagt Ivo – „eigentlich ist es vor allem die Technik.“ Schon als Jugendlicher hat er ein paar Straßen weiter Modellflugzeuge steigen lassen. „Damals hieß Elektroantrieb: Eine Autobatterie und ein langes Kabel.“ Seitdem hat sich der Trend umgekehrt: In kommerziellen Anwendungen sind Drohnen heute fast ausschließlich elektrisch unterwegs – und bis zu 150 Kilogramm schwer. „Da ist der Sprung zu einem Lufttaxi, das vielleicht 500 Kilo wiegt, schon gar nicht mehr so groß.“

Die Zukunft ist elektrisch

Und bald fliegen wir dann alle elektrisch? Für so viel Optimismus ist Ivo dann doch zu sehr Naturwissenschaftler. „Nachhaltiger Luftverkehr ist eine Riesenherausforderung“. Bei Airbus wird mit dem „E-Fan X“ derzeit ein Regionaljet getestet, in dem ein elektrisches Triebwerk eine von vier Megawatt-Turbinen ersetzt. Ivo ist als Berater im Konfigurationsmanagement beteiligt. „Hybrid-Technologie wird aus meiner Sicht in absehbarer Zeit relevant – aber gerade ist das noch ein reines Testfeld.“

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Angewandter wird es bei den Drohnen – hier fallen für Ivo schon heute Beruf und Leidenschaft zusammen. Drohnen messen für den umlaut-Connect-Test die Mobilfunk-Netzabdeckung. Eine Rettungsdrohne wird entwickelt, angedockt an ein bestehendes Medizintechnik-Startup in der Unternehmensgruppe. Das Fluggerät soll eine drahtlose Verbindung zu einem Arzt herstellen oder sogar einen Defibrillator transportieren können. Ab kommendem Jahr gelten neue EU-Richtlinien, dann dürfen Drohnen erstmals unter bestimmten Bedingungen auch autonom und außer Sicht fliegen. „Das macht noch mehr möglich“, sagt Ivo. Beispielsweise automatisierte Verkehrsmessungen. „Oder die Wartung von Strommasten“, sagt Ivo und deutet auf die Trasse in der Ferne. So ganz – das merkt man schnell – lässt ihn auch bei seinem Hobby die Arbeit nicht los. Gegen Ideen kann man sich schließlich nicht wehren.